Rückblick zum Fortschritt

Platz 5 als Aufsteiger, der die gesamte Saison hinweg mit Verletzungssorgen zu kämpfen hatte und über eine halbe Millionen Zuschauer im heimischen Stadion, aber auch eine 0:4 Heimniederlage und wechselhafte Halbzeitleistungen stehen nach der ersten Zweitligasaison von RB Leipzig auf der Habenseite.

Mit der Saisoneröffnung diesen Sonntag beginnt das nächste Kapitel in der noch jungen Geschichte von RasenBallsport Leipzig. Die zweite Spielzeit in der zweithöchsten deutschen Liga, die Teams wie den FC Kaiserslautern (Viermaliger deutscher Meister) oder des 1. FC Nürnbergs (Neunmal deutscher Meister) kann dabei nur unter dem Zeichen des Aufstiegs stehen. Ein weiterer Verbleib in der zweiten Liga und noch dazu nach kostspieligen Transfers, wie den von Selke, Orban oder Nukan, wäre wohl für die Verantwortlichen nur schwer zu verkraften und würde einen erneuten Umbruch bedeuten. Der Trainer, der den Aufstieg schaffen soll, heißt Ralf Rangnick und er schaffte schon mit der TSG 1899 Hoffenheim den Aufstieg in die erste Bundesliga. Mit einem Punkteschnitt, wie er ihn damals erzielen konnte (1,76 Punkte), hätte Rangnick übrigens in der Spielzeit 2014/2015 auch RB Leipzig als Zweiter der Tabelle ins Oberhaus geführt, aber nicht nur Rangnick hätte den direkten Durchmarsch realisiert.

Der Punkteschnitt, den die Rasenballer unter den zurückgetretenen ehemaligen Trainer Alexander Zorniger hatten, war besser als der, den sie unter Interimscoach Beierlorzer aufwiesen, aber was heißt das schon? Niemand weiß, ob RB nicht auch mit Zorniger an der Seitenlinie gegen Sandhausen verloren hätte oder das Auswärtsspiel in St. Pauli für sich hätte entscheiden können. Aufsteiger haben ohnehin zu Saisonbeginn einen besseren Punkteschnitt und lassen häufig am Ende der Saison nach. Man kann sich dafür Heidenheim oder auch Paderborn anschauen, aber natürlich sieht man auch am SV Darmstadt, dass auch ein Aufsteiger bis zuletzt viele Punkte holen kann. Heidenheim hatte nach dem 10. Spieltag einen Punkteschnitt von 1,6 Punkten pro Spiel und nach dem 20. Spieltag nur noch einen Schnitt von 1,4 und am Ende holten sie im Schnitt 1,35 Punkte/Spiel. Ähnlich verlief die Saison für Paderborn. Nach 10 Spieltagen standen 1,5 Punkte im Schnitt pro Spieltag zu buche und nach zwanzig Spieltagen war es nur noch ein Punkt aus einem Spiel. Den Saisonausgang kennen wir alle: Paderborn stieg mit 31 Punkten aus 34 Spielen ab, was einen Schnitt von 0,9 Punkten macht. Mitaufsteiger Köln brach zwar auch ein (Von 1,2 auf 1,17), aber bei den Kölnern war der Saisonverlauf wohl aufgrund der langjährigen Erstligazugehörigkeit nicht so ausgeprägt. Darmstadt hatte im Vergleich dazu nach zehn Spielen einen Punkteschnitt von 1,6 und verbesserte sich bis zum 34. Spieltag auf 1,74.
In der dritten Liga war RB Leipzig hingegen ein starker Aufsteiger. Nach zehn Spielen stand RasenBallsport Leipzig mit 17 Punkten auf Platz 5 und am Ende holte man im Schnitt 2,08 Punkte pro Spiel, aber die dritte Liga ist eben nicht Liga zwei. Mit 0,91 Gegentoren pro Spiel kassierte RB Leipzig nur unwesentlich mehr (3. Liga: 0,89), aber mit 1,15 erzielten Toren, war die Offensive deutlich schlechter als noch in der Saison 2013/2014 (1,71). Natürlich ist ein Kaiserslautern auch kein Saarbrücken, aber darf diese „Ausrede“ zählen, wenn man sich die Transfersummen und allgemein die Neuzugänge anschaut, die RB Leipzig getätigt hat? Emil Forsberg kam für 3,7 Millionen Euro aus Malmö. 3,7 Millionen Euro! Natürlich kann man einen Stürmer nicht nur an seinen Toren messen, aber wenn ein Spieler, der schon im Clubfußball internationale Luft geschnuppert hat, nach 15 Spielen mit 0 Toren dasteht, ist Kritik nicht überraschend. Ein Omer Damari, der für SIEBEN Millionen nach Leipzig wechselte, erzielte auch kein Tor, aber bereitete immerhin vier vor. Bei all den Transferflopps, wobei man noch immer eine gewisse Eingewöhnungszeit einplanen sollte, kann man Ante Rebic nicht außen vor lassen. Mit einen Marktwert von 4 Millionen Euro (Link zu Transfermarkt.de) kam Ante aus Florenz leihweise nach Leipzig und konnte sich nie wirklich durchsetzen. Der Kroate wirkte lange Zeit wie ein Fremdkörper und bekam keine Spielpraxis. Am 15. Spieltag hatte er gerade einmal 41 Spielminuten absolviert und stand in zehn Spielen noch nicht einmal im Kader (Am 10. Spieltag fehlte er wegen einer Länderspielreise). Gegen Ingolstadt (45 Minuten) und Greuther Fürth (88 Minuten) durfte er länger sein Können zeigen und konnte zumindest teilweise überzeugen. Mit insgesamt 410 Einsatzminuten kann man die Leihe als gescheitert erklären, aber es wird schon seine Gründe gehabt haben, dass der AC Florenz sein junges Talent nach nur einer Spielzeit verliehen hat. In Florenz stand Rebic übrigens auch nur 96 Minuten auf dem Platz, wobei er viele Spiele aufgrund von Verletzungen verpasste. Im Vergleich dazu erzielte Yussuf Poulsen 11 Tore und stand fast 2’500 Minuten auf dem Platz. Der Däne kam schon vor der Saison 2013/2014 und erzielte auch schon in der dritten Liga zuverlässig seine Tore (10 in 36 Spielen). Für vergleichsweise geringe 1,3 Millionen Euro ist der Zwanzigjährige damit wesentlich besser als seine teuren Mannschaftskameraden.
Der Karlsruher SC, der 46 Tore in der Spielzeit 2014/2015 erzielte, gab für den Top-Torjäger der zweiten Liga Rouwen Hennings 50’000 Euro aus. Mit 17 Toren in 27 Spielen trug der Mittelstürmer maßgeblich zum Erfolg seiner Mannschaft bei. Der Unterschied zwischen Hennings und Damari, Forsberg und Rebic sind aber nicht nur die erzielten Tore, sondern auch abgebenden Vereine. Hennings kam von St. Pauli und kannte damit die Liga und vor allen Deutschland. Ante Rebic, von dem sich viele sehr viel versprochen haben, scheiterte wohl auch am Land. Von Florenz nach Leipzig ist nicht nur sprachlich eine Hürde und durch fehlende Integration kann es schnell dazu kommen, dass ein neuer Spieler monatelang keinen Anschluss findet.
RasenBallsport Leipzig hat das Geld sich Spieler wie Damari zu holen, aber muss man das? Müssen Unsummen ausgegeben werden, von denen andere Zweitligisten nur träumen können? Langfristig ist es selbstverständlich besser, wenn man Spieler holt, die auch in der ersten Liga zur Spitze gehören könnten, aber diese benötigen auch eine gewisse Zeit um sich einzugewöhnen. Die erste Zweitligasaison hätte man dafür nutzen können, aber von den vielen Neuzugängen sind nur wenige überhaupt zum Zuge gekommen. Die Vereinsführung hat zudem mit ihrem Vorgehen deutlich gemacht, dass der direkte Durchmarsch das angestrebte Ziel war. Durchmarschieren mit einer Drittligamannschaft, die punktuell mit teuren Neuzugängen aufgehübscht wurde? Hätte RB Leipzig den Aufstieg geschafft, hätte Rangnick auch weitere Transfers tätigen müssen und der verpasste Aufstieg hat genau das gleiche Resultat. Mit der Verpflichtung von Selke ist der Weg deutlich: Es kann nur nach oben gehen. Langfristig war das ohnehin das Ziel und auch Platz 5 spricht nicht dagegen, aber das „Wie“ zeigt, dass noch einiges getan werden muss. Kämpferischer Zusammenhalt, wie gegen Darmstadt, stehen Leistungen wie gegen Sandhausen gegenüber. Das man nicht immer mit technischer Raffinesse jeden Gegner ausspielen kann und mit feinem Kombinationsspiel in den Strafraum kommt, ist klar, aber wenn man den freistehenden Mitspieler einfach nicht sehen will und beim eigenen Ballverlust einfach stehenbleibt, können auch die besten Einzelspieler nichts mehr ausrichten. Man könnte die Problematik schnell ausmachen, wenn es immer so gelaufen wäre, aber es gab in dieser Saison ein stetiges auf und ab und nicht selten war eine Halbzeit gut und die andere katastrophal. Die Hauptaufgabe kann nur sein, dass man in der Vorbereitung die neuen Spieler integriert und aus allen Akteuren ein Team formt. Ein Team, was auch mal gegen tiefstehende Mannschaften etwas probiert und wo jeder für den anderen einsteht. Ralf Rangnick soll diese doch schwierige Aufgabe meistern. Als Zorniger aufhörte, klang es zwar vielmehr nach einer externen Lösung und einem großen Namen, aber immerhin den großen Namen hat man mit Rangnick und in den bisherigen Testspielen waren die Leistungen (gegen größere Gegner) durchaus annehmbar.
Rangnicks Trainingsgestaltung ist durchweg abwechslungsreich und auf die Bedürfnisse der Mannschaft, aber auch jedes einzelnen Spielers abgestimmt.
Ein weiterer Punkt, den man in vielen Spielen der letzten Spielzeit als Schwäche erkennen konnte, ist der interne, aber auch externe Druck. Im Training wird aus Spielern ein Team geformt und Taktiken entwickelt, aber auch die ganz persönliche Seite jedes Fußballers muss gestärkt werden und damit ist es wichtig, dass im Training nicht nur das Optimum aus jedem einzelnen Spieler heraus geholt werden sollte und eine Mannschaft geformt werden muss, sondern auch der Druck abgebaut wird. Wenn der FC Bayern München jedes Jahr nur das Triple als Ziel haben kann, dann ist der Druck zwar ein anderer, aber ist er auch größer beziehungsweise höher? Welcher Spieler will schon als (größten) Erfolg den Aufstieg in die erste Liga in der Vita stehen haben? Für sehr viele kann der Aufstieg nur Mittel zum Zweck sein und ein Zwischenschritt, genauso wie RB Leipzig als Zweitligist nur eine Station zu Größeren sein kann.

Als Anhänger von RasenBallsport Leipzig wünscht man sich vielleicht nicht den Aufstieg, aber zumindest eine Saison ohne katastrophale Spiele. Wenn am Sonntag die Saison musikalisch eröffnet wird, sind es nur noch sechs Tage bis zum Auswärtsspiel in Frankfurt. Sechs Tage, in denen man noch einmal Kraft tanken kann um dann am Samstag seine Mannschaft zum Sieg zu peitschen. Die Vorfreude auf die neue Saison ist schon jetzt riesig und alle Rasenball-Fans wollen wohl, dass es endlich wieder los geht. Keine Transfergerüchte mehr, keine Testspiele mehr, sondern nur noch richtige und wichtige Ligaspiele, Emotionen und hoffentlich sehr viele Siege.

Für Leipzig. Für RB. Für rot-weiße Fankultur.

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