10 gegen 40 Millionen Euro, Oral gegen Rangnick, Halimi gegen Selke, 1899 gegen 2009: Der FSV Frankfurt verliert den Saisonauftakt gegen RB Leipzig und in Leipzig weiß man wieder, wie man dreckige Spiele gewinnt.
Vor dem ersten Saisonspiel von RasenBallsport Leipzig wurde viel über Transfersummen und Aufstiegsdruck berichtet und lange Zeit sah es gegen den FSV Frankfurt danach aus, als hätte sich im Vergleich zur letzten Saison nicht viel geändert. Über weite Strecken konnten die tiefstehenden Hessen das Spiel bestimmen und mit Kontern gefährlich werden.
Im Vergleich zum letzten Testspiel gegen Hapoel Tel Aviv veränderte Ralf Rangnick die Startelf auf einer Position: Für Georg Teigl rutschte überraschenderweise Stefan Hierländer in die Startelf und sollte als Außenverteidiger hinten dicht machen und vorne für Unruhe sorgen.
Betrachtet man die Elf, die Achim Beierlorzer noch im letzten Saisonspiel gegen Greuther Fürth von Beginn an brachte, auf acht Positionen. Von diesen acht Spielern steht nur einer nicht mehr bei RB Leipzig auf der Gehaltsliste, aber der Umbruch ist trotzdem mehr als deutlich zu erkennen.
Die neu formierte Leipziger Elf tat sich anfangs sehr schwer gegen die defensiv gut aufgestellten Frankfurter und die Hausherren kamen direkt nach dem Anpfiff zu ihrer ersten Torszene. Halimis Freistoß (Minute 1) blieb aber ungefährlich. Die Hessen zollten der offensiven Übermacht von RBL mit einer sehr defensiven Aufstellung und Ausrichtung Tribut und bei den Leipzigern war das alte Problem erkennbar: Man hat mehr Ballbesitz und kommt bis an die Strafraumgrenze, aber dann fehlt entweder der Mut zum Abschluss oder die Kreativität um ihn zu einen besser positionierten Mitspieler abgeben zu können. Mit einer kompakt stehenden Mannschaft ist man aber nicht nur vor Gegentoren geschützt, sondern kann auch über Konter selbst gefährlich werden. In der 18. Minute generierten die Frankfurter durch solch einen schnellen Gegenangriff eine gefährliche Szene, aber der vor Coltorti freistehende Dedic legte sich den Ball zu weit vor und der Leipziger Schlussmann bewies starke Nerven und schnelle Reflexe.
Fünf Minuten später zeigte Selke mit einer schönen Aktion sein Können, aber sein Schlenzer blieb am Ende zu harmlos. Nach einer knappen halben Stunde wurde es gefährlicher, als Selke zum zweiten Versuch ansetzte und per Flugkopfball den Frankfurter Torhüter Weis (kam in der Sommerpause aus Ingolstadt) in Bedrängnis brachte, aber auch dieser Ball verfehlte das Tor knapp. In dieser Phase kamen die Schwarz-Blauen ins Schwimmen und in der 35. Minute konnte ein Schuss von Marcel Sabitzer in letzter Sekunde geblockt werden. Bis zur Pause lief nicht mehr viel zusammen, was aber weniger für die Gäste spricht und vielmehr die starke und konzentrierte Abwehrleistung der Frankfurter hervorhebt.
In der zweiten Halbzeit bot sich den gerade einmal 7021 Fans (Vor der Partie ging der FSV Frankfurt noch von gut 10’000 Zuschauern aus) das gleiche Bild: Frankfurt stand tief und versuchte über Konter Nadelstiche zu setzen, aber dies gelang in den ersten Minuten kaum noch. Für RB Leipzig kamen Ilsanker (Minute 51) und Orban (Minute 54) zu „Torchancen“, wobei das Ziel deutlich verfehlt wurde. Wenn es nicht über gutes Spiel klappen will, benötigt man aber manchmal die Hilfe der gegnerischen Spieler in Persona von FSV-Verteidiger Bittroff. Eine Flanke von Jung konnte er nicht klären und im Strafraum kam damit Sabitzer an den Ball, der ruhig und clever in der 55. Minute zur Führung einschieben konnte. Mit dieser Führung im Rücken nahm die Partie wieder Fahrt auf und die Leipziger Gäste wollten direkt das nächste Tor nachlegen. Die Hausherren kamen kaum noch aus ihrer eigenen Hälfte raus, aber nennenswerte Möglichkeiten blieben Mangelware. Nur Poulsen (57. Minute) gelang der Abschluss, aber sein Schuss wurde abgefälscht. In der 65. Minute reagierte Rangnick und wechselte für den sich wundgelaufenen Poulsen Neuzugang Massimo Bruno ein. Das Offensivspiel konnte aber auch Bruno nicht wiederbeleben und so kamen die Hessen wieder besser ins Spiel. Golley fiel in der 71. Minute im Strafraum zu Boden, aber Schiedsrichter Hartmann erkannte in der Szene mit Orban kein Foulspiel des ehemaligen Kaiserslauterers und missachtete die lautstarken Proteste der Frankfurter. In der 73. Minute versuchte es Perdedaj mit einem Distanzschuss, aber dieser stellte Coltorti vor keine Probleme. Trotz des Anlaufens von den FSV-Spielern kamen sie erst neun Minuten später wieder vor das Tor von RB Leipzig, aber dafür umso gefährlicher: Der von Yann getretene Freistoß kam gut platziert auf den Kopf von Gugganig, aber sein Kopfbal traf nur den Außenpfosten. Die letzte Torszene der Rasenballer hatte Bruno, der in der 87. Minute aus spitzem Winkel verzog. Die Frankfurter vom FSV bemühten sich bis zuletzt, aber auch Oumari scheiterte an sich selbst, als er aus knapp vier Metern das Tor nicht traf.
Man könnte jetzt meinen oder sogar Frankfurts Trainer Tomas Oral bepflichten, dass „die klar bessere Mannschaft verloren“ (Link) hat, aber das wäre zu einfach gedacht. Wie kann die Mannschaft, die schlechter ist, ein Tor schießen, aber die bessere nicht? Woran macht man dann das „besser“ fest? RasenBallsport Leipzig hatte mehr Ballbesitz (52%), gewann mehr Zweikämpfe (55%) und schoss häufig auf’s Tor (11), aber Frankfurt war natürlich besser, weil man einmal allein vor Coltorti scheiterte und einmal den Außenpfosten traf. Das Spiel von Leipzig war nicht berauschend und man tat sich, wie in der Vorsaison, gegen diese tiefstehende Mannschaft sehr schwer, aber trotzdem gelang ein Tor. Die mitgereisten Fans hätten sich sicherlich mehr Mut gewünscht und weniger lange Bälle, aber wer möchte meckern, wenn man auswärts gewonnen hat? Frankfurt verlor das dritte Auftaktspiel in Folge und bot seinen Fans zwar eine kämpferisch gute Leistung, aber damit können diese sich hinterher auch nichts kaufen.
Die Spieler in der Einzelkritik
Aufstellung: Coltorti – Hierländer (77. Minute – Klostermann), Orban, Nukan, Jung, Kaiser, Ilsanker, Forsberg (90. Minute – Quaschner), Sabitzer, Selke, Poulsen (65. Minute – Bruno)
Das bei einer Offensive, die einen Marktwert von fast 18 Millionen Euro hat, ein Tor durch einen individuellen Abwehrfehler fällt, ist durchaus ironisch zu sehen, aber genau dort kann man auch die Stärke sehen. Ein guter Stürmer erahnt, wo der Ball hinkommt und erkennt Schwachstellen und nutzt diese aus. Noch dazu hätte Sabitzer den Ball auch unglücklich vertändeln oder ihn vorbei setzen können, aber ein Spieler seines Kalibers bleibt in solchen Situationen eiskalt. Dieses eiskalte Verhalten hätte man sich in vielen Situationen auch von den anderen Angreifern gewünscht, aber wieder einmal war zu viel Schnickschnack und Krampf im Spiel. Die spielerische Überlegenheit und die technische Oberhand blieb fast gänzlich unnütz. Rangnicks Aufgabe kann es eigentlich nur sein, aus den Spielern das herauszuholen, was sie alle auf dem Papier zu leisten fähig sind.
Ein knappes 1:0 in der Fremde ist immerhin eine Steigerung zum letzten Auftritt in Frankfurt, kann aber nicht der Maßstab für eine Mannschaft wie RasenBallsport Leipzig sein. Wir freuen uns alle über den Sieg, aber nicht über dessen Entstehung. Am Ende war es durchaus verdient, aber trotzdem mehr als glücklich und ohne Fortuna auf Seiten der Rot-Weißen und einer starken Abwehr, hätte man in Frankfurt auch gut und gerne 3:1 verlieren können.
Anmerkung:
Wenn ein Heimteam mehr Möglichkeiten und sogar 100% Torchancen hat, diese aber nicht nutzen kann, sind nicht nur die Fans auf den Rängen verärgert und auch ein Stadionsprecher sollte Anhänger sein und diese Empfindungen haben.
Als Frank Piroth, seines Zeichens Stadionsprecher im Volksbank Stadion, die Fans in die Halbzeit schickte, spürte man auch bei ihm diese Enttäuschung, die er aber wenig geschickt äußerte. Natürlich hätte Frankfurt zur Halbzeit schon führen können und aus Sicht der Heimfans führen müssen, aber als Stadionsprecher und Repräsentant des Vereins, kann man das sicherlich souveräner lösen. Man stelle sich vor, Tim Thoelke würde in seiner Stadionmoderation immer die Wahrheit auf den Tisch bringen:
„Die heutige Gästemannschaft ist wenig beliebt, weswegen sie kaum Gästefans mit ins schöne Leipzig bringt.“
„Halbzeit! Unsere Gäste schnaufen in der Kabine wohl „ENDLICH“ und loben den guten Mann in Schwarz, der heute gerne beide Augen zudrückt, aber unsere Leipziger Jungs werden auch in der zweiten Halbzeit alles geben, dass auch wirklich die bessere Mannschaft die drei Punkte einsacken kann. Auf geht’s Leipzig kämpfen und siegen!“
Natürlich würde Thoelke sich niemals in dieser Art und Weise äußern, aber welcher Fan hatte noch nie diese oder ähnliche Gedanken? Rein subjektiv wurden die Spieler von RB Leipzig in der letzten Saison häufig von Schiedsrichtern benachteiligt und wieso wollen eigentlich so wenige Gästefans die schönste Stadt im schönsten Bundesland Deutschlands besuchen? Vielleicht ändert sich das aber auch in der neuen Saison und alle Gästeteams erfahren auch in Leipzig Unterstützung.
Anmerkung²:
Der Support im Gästeblock war insgesamt gut, aber leider gab es einige Ausreißer. Der Capo, der sich vorher schon in anderen Auswärtsspielen und vor allem bei Spielen der U23 bewiesen hat, konzentrierte sich leider zu sehr auf die Fans, die direkt vor ihm standen und schaute viel zu selten nach rechts und fast überhaupt nicht nach links. Dafür stimmte er gemeinsam mit einigen Anhängern, die direkt vor ihm standen, eigene Gesänge an, die die restlichen Fans weder kannten, noch verstanden. Bei einigen Auswärtsfahrern kam es deswegen zu frustrierenden Momenten, die man hätte vermeiden können. Noch dazu waren insgesamt drei Capos mit, wobei zumindest Markus zum Ende hin auch die weiter weg stehenden Fans animieren wollte. Eine bessere Aufteilung und Kommunikation wäre hier wünschenswert gewesen, aber insgesamt können alle Fans mit der gestern gezeigten Supportleistung zufrieden sein.
Für Leipzig. Für RB. Für rot-weiße Fankultur.
Ein Kommentar zu “Dreckig, glücklich, clever – Die ersten Drei der Saison”