„Keine guten 20 Minuten und wir sind trotzdem in Führung gegangen.“ Dieser Satz von Ralph Hasenhüttl lässt viel Spielraum für Interpretation, aber eigentlich auch nicht: Im sechsten Spiel der dritte Sieg und den Startrekord aus dem Jahre 1969 von Rot-Weiß Oberhausen gebrochen. Bis zum ersten Sieg im dritten Spiel gegen Augsburg mussten wir aber lange Zittern, sahen aber auch eine von Leipzig dominierte Partie.
Nach dem umkämpften Unentschieden in Köln kam mit dem FC Augsburg ein kleiner Angstgegner. Bisher schied man zweimal gegen die Schwaben im DFB-Pokal aus und das erste Aufeinandertreffen in der Liga brachte zudem einen ehemaligen Spieler zurück in die Messestadt und eins kann man vorwegnehmen: Georg Teigl ist noch immer sehr beliebt in Leipzig, hat sich aber wohl unbeliebt bei einigen seiner eigenen Anhänger gemacht.
Ein weiterer Spieler, der eine gewisse Verbindung zu RB Leipzig hat, betrat gestern auch das Grün, wurde aber weniger gut empfangen. Martin Hinteregger wechselt in der Sommerpause von Red Bull Salzburg zum FC Augsburg und erklärt kurz vor dem Spiel seiner Augsburger in Leipzig, dass er lieber mit Augsburg absteigt, als mit Leipzig Meister zu werden. RB Leipzig hatte vor einiger Zeit Interesse am 24 jährigen Österreicher gezeigt, aber er wollte Salzburg nicht durch seinen Abgang zu Leipzig schwächen und verließ Salzburg später in Richtung Augsburg. Die Fans von RB Leipzig quittierten die zuvor gemachten Aussagen von Hinteregger mit einem Pfeifkonzert bei jeder Ballberührung. Vielleicht nicht die feine englische Art und wenig Zielführend, aber wo soll man mit seinen Emotionen hin, wenn ein gegnerischer Spieler solche Worte für den Lieblingsverein findet?
Weg von emotionalen Belangen von ehemaligen Spielern und welchen, die uns nicht zu schätzen wissen (wobei wir darüber inzwischen sehr froh sein dürften, dass Hinteregger zu Augsburg wechselte) und hin zum eigentlichen Spiel.
Das eröffnende Zitat von Ralph Hasenhüttl ließ es schon vermuten und so hatten auch nicht die Gastgeber, sondern die Gäste die erste Möglichkeit im Spiel. In der dritten Minute kam Ji über die rechte Seite und flankte in den Fünfer. Finnbogason, der gegen Darmstadt das Siegtor schoss, hielt den Fuß rein, aber das Leder ging rechts am Tor vorbei. Die Augsburger, die viele als reine Defensivmannschaft sehen, agierten mutig und nur vier Minuten später wurde es erneut gefährlich, als Compper nach Ecke von Baier per Kopf am Elfmeterpunkt klären musste. Die Leipziger fanden nur schwer in die Partie und vor allen Forsberg wirkte im Gegensatz zu den zuletzt sehr guten Spielen nicht integriert und schludrig. Trotz dieser Probleme, durften wir alle in der 11. Minute jubeln, als Forsberg nach einer Seitenabwehr von Hitz aus spitzen Winkel abschloss. Vorausgegangen war ein schöner Schuss von Sabitzer, der damit einen großen Anteil am Tor hat. Für RasenBallsport Leipzig war es das 500. Tor in der Vereinsgeschichte, was in nur sieben Jahren eine stattliche Anzahl ist und für unseren Schweden war es das zweite Saisontor. Die Freude über das zehnte Saisontor eines RBL-Spielers hielt aber nicht lang an und bereits in der 14. Minute glich Ji mit einem sehenswerten und unhaltbaren Schuss aus gut 14 Metern aus.
Nach den frühen Toren wurden echte Chancen Mangelware, aber das Spiel bot trotzdem noch einiges, aber die Augsburger spielten clever gegen kämpferische Leipziger. Sie standen tief und ließen die Gastgeber bis zum Strafrum kombinieren, rührten dann aber Zement an. Erst in der 25. Minute gab es wieder eine Tormöglichkeit, aber Werners Kopfball aus linker Position und spitzem Winkel traf nur die Latte. Danach ging erneut nicht viel und bis auf Forsbergs Schuss in Minute 40, der leider nach toller Körperbeherrschung rechts vorbei ging und Werners Versuch drei Minuten später (Flachschuss nach Vorarbeit von Poulsen) gab es aus Halbzeit eins nichts mehr zu vermelden.
So ereignisarm und doch spannend die erste Halbzeit war, so temporeich begannen die zweiten 45 Minuten.
Drei Minuten nach Wiederanpfiff zog Sabitzer von halbrechts flach aufs linke Eck, aber Hitz war schnell unten und parierte.
Sollte das etwa die gute Halbzeit sein oder hatten wir diese doch schon gesehen?
Auf diese Frage lieferte Poulsen in der 52. Minute mit seinem ersten Saisontor die Antwort: Der exzellent spielende Sabitzer passte links in den Strafraum auf Poulsen, der an Verhaegh vorbeizog und den Ball unter die Latte hämmerte. Die Erleichterung war Poulsen anzusehen, aber auf den Rängen fragte man sich, ob jetzt auch wieder der direkte Ausgleich folgen sollte. In Minute 61 hatte Werner das 3:1 auf dem Fuß, aber sein Versuch von rechts geht knapp über’s Tor. In der Mitte war Poulsen mitgelaufen, aber als Stürmer versucht man solch eine Torchance verständlicherweise selbst zu nutzen. Die Partie wurde in dieser Phase schneller, dynamischer, aber wirklich zwingend vor das gegnerische Tor kamen beide Teams selten, bis gar nicht, wobei die Augsburger auf Konter spielten, die ihnen die Leipziger nicht boten. Die nächste Szene gab es deswegen auch erst wieder in der 76. Minute und der immer präsente Bernardo versuchte es mit einem Kopfball aus gut sieben Metern, aber Hitz war wieder zur Stelle. Ohne den gut aufgelegten Hitz hätte Leipzig durchaus die drei Punkte schon eintüten können.
Der bereits angesprochene Ex-RBLer Georg Teigl löste eine herausragende Szene aus: In der 78. Minute wurde er für Koo eingewechselt und von den Heimfans mit Sprechchören begrüßt. In Leipzig vergisst man seine Spieler nicht und bis auf wenige Ausnahmen sind alle gern gesehen Gäste. Unabhängig von diesem Wiedersehen standen sich hier aber auch zwei Bundesligisten gegenüber, die um Punkte kämpften, aber Leipzig dominierte zwar das Spiel, aber defensiv kann kaum jemand Augsburg etwas vormachen. Offensiv waren die Gäste weiterhin auf Konter aus, aber die Leipziger Verteidiger behielten stets die Überhand. Kurz vor dem Schlusspfiff kam aber noch einmal Bewegung in die Partie. Zunächst scheiterte Keita nach Flanke von Bernardo in der 89. Minute an Hitz und nur eine Minute danach schafften es die Augsburger über einen Konter bis vor das gegnerische Tor, aber Gulácsi hält den Ball stark. In allerletzter Minute versuchten sich die Gäste noch mit einer Ecke, aber auch der nach vorn geeilte Hitz strahlte keine Torgefahr aus. Gulácsi, der die Ecke abfing, hielt den Ball sicher und schlug ihn nicht schnell zum Konter ab, sondern ließ die Uhr runterlaufen. Vielleicht in der Situation verwunderlich, aber die Chance auf das 3:1 durch einen weiten Abschlag hätte auch einen erneuten Konter der Gästemannschaft verursachen können.
Unter Jubel pfiff Schiedsrichter Osmers die Partie ab und nach einer starken zweiten Halbzeit, in der die Augsburger nur einen Torschuss absetzen konnten, darf in Leipzig gefeiert werden. 12 Punkte aus den ersten 6 Spielen sind für einen Aufsteiger eine unglaubliche Bilanz und auch spielerisch findet man sich immer besser in der Liga zurecht.
Die Spieler in der Einzelkritik
Gulásci, Bernardo, Orban, Compper, Halstenberg, Keita, Demme (89. Minute – Ilsanker), Sabitzer, Forsberg (80. Minute – Kaiser), Werner (87. Minute – Burke), Poulsen
RasenBallsport Leipzig bestimmte bis auf die ersten 15 Minuten die Partie und schlug verdient den Fußballclub aus Augsburg. Fast 6km mehr rannten die Messestädter und auch die Zweikampf – (114:101) und Torschussstatistiken (17:6) können sich sehen lassen, aber was sind schon Statistiken, wenn auf den Rängen und auf dem Rasen Emotionen ausgelebt werden? Die Freude über Poulsens Tor, den Sieg, Teigls Rückkehr und ja auch darüber, dass Hinteregger ohne Punkte, aber mit einer gelben Karte im Gepäck zurück ins tolle Augsburg muss, lässt einen glücklich sein. Die Rekordknacker aus Leipzig haben durch die Länderspielpause jetzt etwas Zeit die Geschehnisse der letzten Wochen zu verarbeiten und auch viele Fans können jetzt erst einmal durchatmen. Wer hätte gedacht, dass wir nach sechs Spieltagen noch keine Niederlage verkraften müssten und das wir bei allen bisherigen Spielen nicht mit Glück, sondern mit Können, Teamgeist und Willen mindestens einen Punkt holen würden? Wir wissen alle, dass dieser Lauf nicht ewig anhalten wird, aber jetzt kann man auch einfach mal genießen, dass wir einen 47 Jahre alten Rekord gebrochen haben. Rekorde an sich sind zwar nicht ganz so wichtig, aber lieber haben, als jetzt im Tabellenkeller schon den Spott der Hater ertragen oder die ersten zweifelnden Gedanken verdrängen müssen.
In über zwei Wochen geht es erst wieder für uns weiter und das Spiel gegen Wolfsburg wird, wie die letzten, kein leichtes. Kein Gegner wird mehr leicht sein und alle Fans und jeder Spieler muss immer 100 Prozent geben. Wenn wir in Wolfsburg dort weitermachen, wo wir jetzt aufgehört haben, dann können wir weiter Geschichte schreiben. Wenn auch nicht mit weiteren überraschenden Punkten, dann aber unsere eigene. Als Verein, der anders ist. Wo ehemalige Spieler gefeiert werden (und nicht mit den ehemaligen Kollegen den Sieg feiert – Liebe Redakteure diverser Portale *hust*) und wo man immer die eigene Mannschaft unterstützt.
Anmerkung
Die aktive Fanszene von Augsburg rief vor der Partie unter dem Motto „Keine Sau fährt nach Leipzig“ zum Boykott auf und trotz des Boykotts fanden 600 Auswärtsfans den Weg in die Red Bull Arena. Damit waren mehr Fans beim dritten Auswärtsspiel der Saison, als bei den beiden anderen zuvor, aber Boykott ist, wenn man trotzdem da ist und so konnten die mitgereisten Anhänger stolz auf sich sein, dass sie sich nicht instrumentalisieren ließen. Man könnte sagen, dass sie jetzt Red Bull das Geld in den Rachen warfen, aber auf der andere Seite unterstellt man Red Bull und RB Leipzig doch, dass sie in Geld schwimmen?! Die „richtigen“ Fans besuchten lieber das Spiel ihrer zweiten Mannschaft, was zufälligerweise ein Heimspiel war und gewonnen wurde. 1’350 Fans verfolgten das Spiel gegen Greuther Fürth II und übertrafen damit den bisherigen Saisonrekord von 540 Zuschauern, der am ersten Spieltag gegen die Reserve von Nürnberg aufgestellt wurde. Das so viele Fans zur zweiten Mannschaft kommen, ist super, aber warum sind diese Fans dann nicht immer vor Ort oder fahren mit zum Auswärtsspiel? Wurde gegen Nürnberg, Garching oder Buchbach boykottiert oder konnte man nicht medienwirksam gegen einen anderen Verein Stimmung machen?
Anmerkung²
Initiative 60Plus zeigte beim Spiel gegen Augsburg noch einmal, dass die Red Bull Arena (oder das Zentralstadion) nicht nur einfach so unsere derzeitige Heimstätte ist, sondern viel mehr und vor allen die witzigen Spruchbänder zeigten, dass man wirklich auch mit dem Herzen am Stadion hängt. Ein Neubau außerhalb der Stadt? Wie in Hoffenheim? Ein Stadion, was die Heimstätte von RB Leipzig sein soll, aber nicht in Leipzig steht? Wie der Flughafen Halle/Leipzig, der eigentlich in Schkeuditz ist? Selbstverständlich sehen auch wir die Vorteile eines Neubaus (Kapazität, Modernisierung, Anreise), aber ist es denn derzeit so schlimm? In zwei von drei Heimspielen waren wir ausverkauft und genau das Spiel gegen Augsburg zeigt doch, dass die Fanbase noch nicht dort ist, wo man sie haben möchte. Attraktive Gegner locken und wohl auch die ersten Partien gegen Bundesligisten, die man vorher noch nicht im Pokal kennenlernen durfte, aber in ein zwei Jahren könnte der Alltag bei vielen Einzug gehalten haben. Die meisten Fans wollen zu jedem Heimspiel, aber jeder Verein hat auch Fans, die sich die Spiele gezielt rauspicken oder aufgrund des Dienstplans wirklich wählen müssen, ob sie zum Spiel gegen Darmstadt oder zum Spiel gegen Bayern München gehen. Wären wir immer ausverkauft, müssten wir über andere Dinge reden, aber bis die Nachfrage so groß ist und vor allen wirklich viele tausende ohne Ticket dastehen, dauert es noch etwas und selbst dann muss man sich fragen, wie groß es denn sein soll? Borussia Dortmund könnte wohl ständig über 100’000 Eintrittskarten an den Mann bringen und trotzdem „reicht“ das Stadion. Ab einer gewissen Vereinsstruktur – und größe bleiben Fans auf der Strecke. Man kann nicht unendlich vergrößern und auch bei einem Stadion, welches Platz für 90’000 bietet, kann der Neunzigtausend und Erste Fan nicht ins Stadion und dann? Ein Neubau Nummer zwei?
Für viele ist das ehemalige Zentralstadion auch das Stadion, wo man das erste Fußballspiel überhaupt sah und auch die jüngeren schätzen den Mehrwert, den ein Innenstadtstdion bietet. Von Schkeuditz aus in die nächste Bar um den Sieg zu feiern? Nicht unmöglich, aber die Karli ist näher, wenn man am Sportforum ist.
Für Leipzig. Für RB. Für rot-weiße Fankultur.
Quellen:
Bild.de
sportschau.de
fupa.net